Wie man einen Weltrekord aufstellt – Teil 1

Fassungslos blicken alle zur Dame in der eleganten GUINNESS WORLD RECORDS-Uniform. Soeben wurde die Zählung der Teilnehmer abgeschlossen. Mit nüchternem Gesichtsausdruck teilt sie uns mit, dass mehr als 10 % der Teilnehmer disqualifiziert werden mussten. Wir alle wissen, was das bedeutet: unser Weltrekordversuch ist gescheitert!

Unsere Gefühle überschlagen sich. Wir sind enttäuscht, traurig, schockiert. Der ganze Aufwand, all die Mühen der vergangenen Monate – das soll umsonst gewesen sein? Einigen von uns stehen Tränen in den Augen.

Doch dann huscht ein feines Lächeln über das Gesicht der Frau und sie ruft fröhlich: „838 gültige Teilnahmen – Weltrekord, herzlichen Glückwunsch!“

Vielleicht macht es nun ganz laut „Plumps!“, wir wissen es nicht – denn wir sind noch immer geschockt. Doch langsam, ganz langsam sickert bei uns die Erkenntnis durch, dass sie sich einen Scherz mit uns erlaubt hat – und die Gefühlslage schwenkt um. Aus Enttäuschung wird Erleichterung, aus Schreck wird Jubel, aus Trauer wird Freude – monatelange Arbeit, weit über 100 beteiligte Personen, viele kleine Missgeschicke, Rückschläge und Erfolge… Wir haben es geschafft!

Doch wie kam es dazu? Wozu all die Mühen und der große Aufwand?

Pfarrer Sebastian Kneipp’s Lehren mögen über 100 Jahre alt sein, sein Prinzip der 5 Säulen ist nicht nur zeitlos, sondern auch stets zeitgemäß. Um die Bindung Bad Wörishofens mit Kneipp erneut zu bestärken und seine Lehren modern zu feiern und zu präsentieren, wollten wir uns erneut an einen öffentlich wirksamen Weltrekordversuch wagen. In den Jahren 1997 und 2011 hatten wir bereits zweimal den Rekord für „Das Längste Kneipp Armbad der Welt“ nach Bad Wörishofen geholt. Erfahrung mit Weltrekorden hatten wir also schon, warum nicht mal was Neues?

GUINNESS WORLD RECORDS UND VORBEREITUNG

Diesmal also Wassertreten! Bevor mit der Planung des organisatorischen Ablaufs begonnen werden kann, stehen viele Abstimmungsgespräche und -schreiben mit den Fachleuten der jeweiligen Sachgebiete (rechtlich, inhaltlich, organisatorisch etc.) bei GUINNESS WORLD RECORDS in London an.

Die Idee: An so vielen der 24 öffentlichen Wassertretbecken in Bad Wörishofen sollten so viele Menschen wie möglich zeitgleich wassertreten.

Viele E-Mails fliegen zwischen Bad Wörishofen und London hin und her, viele große und kleine Missverständnisse, wie plötzlich ins Gespräch kommende Pool-Nudeln, müssen geklärt werden, bis wir uns im März 2023 endlich einig sind: Es wird „Der größte Hydrotherapievortrag der Welt mit anschließendem Wassertreten“.

So wird der Fokus nicht ausschließlich auf die Veranstaltung gerichtet. Wassertreten kennen viele Menschen, wie und warum die Anwendung wirkt jedoch ist den meisten unbekannt. Durch den Vortrag können wir allen Teilnehmern und Interessierten die Heilwirkung eines der 5 Elemente der Kneipp-Lehre, des Wassers, näherbringen.

Nachdem die Formalitäten endlich geklärt waren, ging es ans Eingemachte. Um eine einheitliche Qualität zu gewährleisten, forderte Guinness, dass an allen Anlagen derselbe Vortrag gehalten wird. Dies könnte von einer zentralen Stelle per Videoleinwand oder in persona erfolgen – das WIE wurde uns überlassen. Es galt, einen einheitlichen Vortrag zu erstellen und Therapeuten zu suchen, die diesen halten würden.

Die Vorlage für den Vortrag lieferte die Kneipp-Schule. Dieser wurde, in englische Sprache übersetzt, zur Prüfung an Guinness gesandt und dort genehmigt.

Die Variante, den Vortrag per Video an den Kneippanlagen abzuspielen, wurde schnell wieder verworfen – bei Kneipp geht es immer um Interaktion zwischen Therapeuten und Patienten, um gelebte Therapie.

Sponsoren, die den Rekordversuch finanziell unterstützen würden, wurden ebenfalls gesucht. Beiträge von privaten Unternehmen und andere Kneippbegeisterten, die es uns ermöglichen würden, zusätzliche Ausgaben zu stemmen.

Als Nächstes mussten die Kneippanlagen auf ihre „Rekordtauglichkeit“, d. h. ausreichend Platz für Vortragende und Teilnehmer, ausgewählt werden. Nach einer Begehung aller Anlagen wurden diejenigen bestimmt, an denen der Weltrekord stattfinden konnte. Einige waren zu abgelegen, andere zu wenig beschattet, um die Teilnehmer nicht der heißen Juli-Sonne auszusetzen, oder boten einfach nicht genug Platz. So war man sich bald einig, welche Anlagen zum Einsatz kommen würden: Eine für diesen Tag eigens eingerichtete temporäre Anlage im Wörthbach, an der Kurhaus Pergola, im Kurpark, der Schöneschacher Straße, Franzensbader Straße, Kaufbeurer Straße und der evangelischen Erlöserkirche.

Was tun, wenn es aber ausgerechnet an diesem Tag regnet? Einige Anlagen könnten bei Regen nicht genutzt werden und im Falle eines Gewitters oder Sturms hätten wir überhaupt nur noch sieben Anlagen mit Indoor-Wassertretbecken zur Verfügung – bei Gewitter besteht im Wasser Lebensgefahr. Wir entwickelten einen alternativen Schlechtwetterplan.

Eine weitere Vorgabe von Guinness war die Gruppe der helfenden Personen: Je nach Teilnehmerzahl war pro Standort eine festgelegte Anzahl an Stewards, Zeugen und weiteren Betreuern vorgesehen. Etwa 90 Helfer, die den Ablauf des Versuchs überwachten und als Ansprechpartner für die Teilnehmer bereitstanden. Dank vieler bereitwilliger Bewohner Bad Wörishofens und Umgebung und einiger langjähriger Kurgäste, hatte sich bald die nötige Helferzahl gefunden. Mit dabei waren auch Teams der Wirtschaftsschule, Mitglieder des Obst- und Gartenbauvereins, des Kneipp-Bundes, der evangelischen Erlöserkirche und des Allgäu Skyline-Parks. Sie übernahmen jeweils die Betreuung einer Anlage.

Die Ersten, die sich als nicht öffentliche Austragungsstätten meldeten, waren die Kindertagesstätten St. Anna, Gartenstadt und Villa Kunterbunt. Dies freute uns sehr, lag doch Pfarrer Kneipp das Wohlergehen der Kinder immer besonders am Herzen. Die Teams der Kindergärten begannen mit ihrem tatkräftigen Engagement. Die Hotels Sebastianeum und KurOase meldeten ebenfalls Ihre Teilnahme an.

Ostern rückte näher, in Urlaubszeiten wird es meistens ein wenig ruhiger in unseren Büros. Danach aber ging es richtig los. Plakate, Banner, Urkunden, Infoblätter, T-Shirts, Anzeigen, Eintrittskarten und Flyer wurden entworfen, ge- und bedruckt.

In unserem Planungseifer und unserer Dynamik waren wir uns sicher – wir würden es schaffen! Also war auch die große „Weltrekord-Feier“ zu organisieren, wollten wir doch unseren Teilnehmern, Gästen und Helfern die Gelegenheit bieten, danach gemeinsam auf das Erreichte anzustoßen. Unsere Veranstaltungsabteilung übernahm alle Vorbereitungen für die große After-Party am Platz vor dem Kurtheater und organisierte Bänke und Tische, Speisen und Getränke, Unterhaltung und die nötige Technik.

Kennenlernen konnten sich alle Teilnehmer an Infoabenden im Haus „Zum Gugger“. Die Helfer erfuhren alles über ihre Aufgaben, Team-T-Shirts wurden verteilt und viele Fragen beantwortet. Alle Helfer konnten die Mitstreiter „ihrer“ Anlagen kennenlernen und es herrschte eine fröhliche und angeregte Stimmung – das Projekt „Weltrekordversuch“ nahm konkrete Formen an.

Die Monate vergingen und ganz plötzlich war er da, der 21. Juli 2023, der Tag vor dem großen Tag. Morgen würde der Versuch stattfinden. Alle Vorbereitungen waren abgeschlossen.

Aber: Würden alle Helfer kommen? Würde das Wetter schön bleiben, jemand krank werden, die Technik versagen? Würde alles glatt und wie geplant ablaufen? Das konnte uns nur der nächste Tag zeigen…

Wie unser Weltrekordversuch verlaufen ist, lesen Sie im zweiten Teil unseres Blogs…

 

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern in diesem Text in der Regel die männliche Form verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat ausschließlich redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung.

 

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