Meine erste Kneippkur – Teil 1

Die Welt um mich ist vergessen. Ich liege in einer wohligen Hülle aus feuchter Wärme, tief versunken in Meditation, wie in einer Wolke.

Vor fünfzehn Minuten hat mich Frau Wurm-Fenkl in ein nasskaltes Hemd gewickelt und beim Anziehen dazu aufgefordert, tief auszuatmen. Um diesen ersten Kälteschock zu überwinden, packt sie mich schnell in mehrere Schichten aus Tüchern und Decken. Mein Körper ist nun zu einer starken Reaktion aufgefordert – und es wirkt tatsächlich! Schnell fühle ich mich warm und versinke in tiefer Entspannung

Der sogenannte spanische Mantel ist aber nicht die erste Anwendung, die ich nun, in der vierten Kurwoche, erhalte. Gleich zu Beginn meiner geplanten sechs Kurwochen mitten im Winter hat mich die Therapeutin darüber aufgeklärt, dass bei einer Kurmaßnahme nach Kneipp gemäßigt begonnen und die Reizstärke behutsam angepasst gesteigert wird, je nachdem wie der Patient reagiert. Zudem darf zwar mit einer kurzfristigen Körperantwort gerechnet werden, es kann aber länger dauern bis die heilende Wirkung einsetzt.
Alles ist möglich! Jeder Körper ist individuell. Nun, in der vierten Kurwoche also, ist es so weit. Ich liege in meinem Kokon und entschlacke.

 

Entschluss zur Kneippkur

Der Entschluss, mir eine Kur zu gönnen, ist langsam gereift. Ansonsten gesund, hadere ich schon seit längerem mit meiner Widerstandskraft, dem Energiehaushalt und kleineren körperlichen Beschwerden. In meinem jugendlichen Alter von Mitte 50 möchte ich mich von solchen Befindlichkeiten nicht in meinem Bewegungs- und Tatendrang ausbremsen zu lassen.

Kneipp ist mir nicht gänzlich unbekannt. Im Sommer nach dem Duschen kalt abbrausen, mit nackten Füßen durch den Morgentau, im Winter schneegehen oder bei Kreislaufproblemen die Unterarme in kaltes Wasser tauchen – einiges wusste ich noch von meiner Oma. Aber eine mehrwöchige Kneippkur zu machen, dazu hatte ich bis jetzt weder Zeit noch Muße. Ich entscheide mich deshalb für eine ambulante, berufsbegleitende Kurvariante und lege für mich Behandlungsziele fest, die ich mit der Therapeutin besprechen möchte.

Zunächst möchte ich jedoch mehr über Kneipp erfahren, wie und warum eine Kneippkur wirkt und suche im Internet nach Informationen: Kneipp erkrankte als junger Mann an Tuberkulose und probierte im Selbstversuch nach einem in einer Bibliothek gefundenen Büchlein aus dem 18. Jahrhundert die Wirkung von Wasseranwendungen aus. Durch diese tatsächlich genesen, entwickelte er aus seiner Erfahrung ein ganzheitliches Naturheilverfahren.

Der Dreiklang von Körper, Geist und Seele wird gestärkt durch den Fünfklang von gezielten Kältereizen durch Wasseranwendungen, ausgewogener, naturbelassener Ernährung, regelmäßiger Entspannung, der heilsamen Wirkung heimischer Kräuter und nicht zuletzt der inneren Balance. Dieses Konzept soll dafür sorgen, dass der Körper und seine Immunkraft stark und widerstandsfähig sind.

Ein wenig Respekt habe ich vor den Kaltanwendungen. Zu den dabei stattfindenden Stoffwechselvorgängen finde ich folgende Erklärung: Wenn es hektisch wird und der Körper unter Stress gerät, schüttet er die Hormone Cortisol und Adrenalin aus. Bei Kaltwasseranwendungen wird diese Reaktion gezielt trainiert. Die Regelmäßigkeit der Anwendungen führt dazu, dass sich der Körper an den Reiz gewöhnt, die Reizschwelle steigt an – man wird widerstandsfähiger. Es soll über 120 verschiedene Anwendungen geben.

Bekomme ich die alle? Aber nein, weiter heißt es: die individuelle, auf den Patienten zugeschnittene Verordnung aus einer Vielzahl von Möglichkeiten ist Voraussetzung für einen erfolgreichen Verlauf. Ok, das ist ja interessant. Nervenstärke und Resilienz, also Widerstandskraft – genau das will ich für mich erreichen. Ich suche mir eine Therapeutin!

 

Es geht los!

Frau Ines Wurm-Fenkl ist nicht nur Physiotherapeutin und Heilpraktikerin, sondern auch erfahrene Dozentin und Ausbilderin für angehende Kneipp-Gesundheitstrainer. Klingt überzeugend, ich vereinbare einen ersten Gesprächstermin mit ihr und bin gespannt. Frau Wurm-Fenkl nimmt sich viel Zeit und fragt mich erst mal aus: sie erkundigt sich nach meinem Ernährungsverhalten und gibt Tipps und Anregungen für einen gesunden Alltag, beruhend auf den fünf kneippschen Säulen. Ich muss immer wieder nachdenken. Solche Fragen stelle ich mir selbst ja nicht. Sie aber will es genau wissen und legt dann meinen Kurplan fest. Zudem begrüßt sie meine Entscheidung mich von der kalten Jahreszeit nicht abschrecken zu lassen, denn Kneipp war überzeugt, dass eine Winterkur zwei Sommerkuren ersetzen würde.

Meine erste Anwendung, eine Leibauflage mit Heublumenextrakt, erhalte ich gleich im Anschluss an unser Gespräch. Leibauflage kalt. Sehr kalt! Ich halte die Luft an. „Völlig falsch“ korrigiert mich die Therapeutin schnell und fordert mich auf tief Luft zu holen und dann auszuatmen, während sie den Wickel anlegt. Tatsächlich wird meine Toleranzschwelle durch das Ausatmen deutlich herabgesetzt – der kalte Einstieg ist gleich erträglicher.

Ausgestattet mit vielen neuen Informationen und einem kleinen Kurbüchlein mit drei Anwendungen pro Tag beginne ich die erste Kurwoche zuhause. Zudem zeigt mir Frau Wurm-Fenkl Gymnastikübungen zum Aufwärmen nach den kalten Anwendungen.

Mein erster Weg führt mich in den Laden zur Anschaffung der nötigen Hilfsmittel: Kneipp-Gießrohr, Heublumenextrakt, ein spezielles Leinen-Waschtuch und die dreiteiligen Kneipp-Wickeltücher. Apfelessig habe ich daheim, die erste Kurwoche kann beginnen.

Weiter geht’s mit Teil 2 im nächsten Blogbeitrag.

 

Hinweis:
Wir, der Kur- und Tourismusbetrieb Bad Wörishofen, freuen uns immer sehr, wenn wir von unseren Kurgästen Rückmeldungen über eine gelungene Kneippkur erhalten. Das als schriftlichen Beitrag, den wir veröffentlichen können, auszuarbeiten, ist allerdings nicht jedermanns Sache. Daher freuen wir uns umso mehr, hier den Erfahrungsbericht einer ortsansässigen Person über eine ambulante Kneippkur an Sie weitergeben zu können. Der große Vorzug der kneippschen Heilmaßnahmen ist, dass sie zuhause angewandt werden können. Allerdings ist die zuvor eingehende fachkundige Einführung ein unbedingtes Muss. Zudem wird die Wirkung durch einem Aufenthalt in einem Kurbetrieb vor Ort verstärkt und tritt in der Regel früher ein.

 

Unser Tipp: Kneippkuren können bei den Krankenkassen beantragt werden. Für Selbstzahler empfiehlt sich das Angebot „Entdecken Sie das Naturheilverfahren nach Kneipp“.

 

Und so beantragen Sie Ihre Kur:

Jeder gesetzlich Krankenversicherte hat ein Recht auf eine Kur. Der erschöpfte Student genauso wie der Arbeitnehmer oder auch der Rentner, der beispielsweise an chronischen Erkrankungen, wie Arthrose leidet.

Wir erklären Ihnen in ein paar kurzen Schritten, wie Sie Ihre Kur beantragen können:

Schritt 1:
Sprechen Sie mit Ihrem Arzt, ob eine Kur für Sie infrage kommt. Hier wird geprüft, ob alle anderen Maßnahmen und Therapien zur Genesung ausgeschöpft sind.

Schritt 2:
Sie beantragen das Formular für den Antrag bei Ihrer Krankenkasse. Ihr Arzt füllt den Kurantrag aus und begründet die Notwendigkeit dieser Maßnahme. Im Kurantrag sollte ausdrücklich Bad Wörishofen als gewünschter Kurort genannt werden.

Schritt 3:
Sie reichen den Antrag zur Kur und alle dazugehörigen Unterlagen bei der Krankenkasse ein. Die Krankenkasse kann gegebenenfalls den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung zur Antragsprüfung hinzuziehen.

Schritt 4:
Sollte die Kasse Ihren Antrag ablehnen, so haben Sie die Möglichkeit Widerspruch einzulegen. Hierfür haben Sie nach Eingang des Schreibens ca. einen Monat lang Zeit. Nun sollten Sie nochmals Ihren Antrag begründen. Bestenfalls erstellt Ihr Arzt erneut ein Schreiben, in dem er auf die Dringlichkeit und Wichtigkeit dieser Kur hinweist! Sollte die Krankenkasse auch den Widerspruch ablehnen, so haben Sie die Möglichkeit eine Klage am Sozialgericht einzureichen.

Schritt 4:
Sobald die Krankenkasse oder Rentenversicherung Ihren Antrag genehmigt hat, haben Sie vier Monate Zeit um die Kur anzutreten, danach verfällt Ihr Anspruch!
Gewöhnlich dauert eine Kur drei Wochen, kann jedoch um maximal weitere drei Wochen verlängert werden. Der Kurarzt beobachtet und überwacht während des Kuraufenthaltes Behandlungsverlauf und Genesungsfortschritte und rät manchmal zur Beantragung einer Verlängerung.

 

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern in diesem Text in der Regel die männliche Form verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat ausschließlich redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung.

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