Wussten Sie schon, dass mehrere tausend Fotos die Geschichte Wörishofens dokumentieren?

Der Hüter des Wörishofener Bildarchivs

Bestünde sein Schatz aus Münzen, wäre er steinreich und würde vielleicht wie Dagobert Duck auf einem Haufen Geld thronen und vielleicht sogar vor Freude darin schwimmen. Oder er wäre der Zwerg Alberich aus dem Nibelungenlied, der für Siegfried den Schatz der Nibelungen hütet. Aber Michael Scharpf ist eben nicht Dagobert Duck oder Alberich. Was er wie seinen Augapfel hütet, sind unzählige historische Fotografien, die die Geschichte Wörishofens bis heute eindrucksvoll dokumentieren.

Wie viele Fotos er mittlerweile besitzt, kann er selbst nur schätzen. „Das geht in die Tausende“, sagt Scharpf, „in Bad Wörishofen ist einiges an Bildmaterial vorhanden“. Seit Jahrzehnten sammelt er Fotos von Alt-Wörishofen, digitalisiert diese und restauriert sie mit modernster Technik. „Manchmal muss man sich dabei als Chirurg betätigen“, berichtet er und schaut in ein verdutztes Gesicht. „Man muss zum Beispiel Personen, die durch Kratzer entstellt sind, ihr Gesicht zurückgeben, damit das Bild wieder komplett ist.“ So ging es ihm beispielsweise bei einem Foto von 1892, das die damalige Bachstraße und das Sebastianeum zeigt. Darauf war ein Mann kaum noch zu erkennen. „Die Rekonstruktion ist oft eine sehr mühsame Kleinarbeit, aber es macht mir richtig Spaß. Wenn man sieht, was dabei rauskommt, nimmt man die Mühe gerne auf sich.“

Michael Scharpf ist ein Lokalpatriot – wie er selbst sagt. Er liebt „sein“ Wörishofen und ist begeisterter Kneippianer. Nicht zum ersten Mal macht er eine Kneippkur in Bad Wörishofen – als Wörishofener in einem Wörishofener Hotel. Und schon wieder schaut er in ein erstauntes Gesicht.

In seiner Freizeit verbringt er viele Stunden mit den alten Fotos der Stadt – ein gewiss schönes Hobby für ganz Bad Wörishofen. Denn er möchte diese Schätze nicht in seinem Keller horten, sondern mit den Menschen teilen. Nicht selten kommen Kontakte über den Verschönerungsverein zustande, dessen Vorsitzender Scharpf ist. „Das hat mir schon manche Türe geöffnet.“ Viele Bürger kommen auf ihn zu und geben ihm Einblick in ihre privaten Fotoalben oder stellen die Verbindung zu Personen her, die selbst oder deren Vorfahren früher in Bad Wörishofen zu Gast waren oder dort lebten.

So lernte er schon viele interessante Menschen kennen und es spann sich ein weit verzweigtes, oft internationales Netz an Kontakten. Scharpf erinnert sich zum Beispiel an das Jahr 2012, als er mit dem Verschönerungsverein für die neue, leuchtend rote Fassade des Kinos in der Bahnhofstraße sorgte. Durch Familie Trautwein, Besitzer des Kinogebäudes, lernte er später einen Amerikaner kennen, dessen Vater 1945 als GI hier stationiert war. 30 bis 40 Bilder aus der Besatzungszeit kamen so in den Fundus von Scharpf, darunter ein Baseball spielender US-Soldat in der Bahnhofstraße oder das Foto von zwei Hütebuben, die ihre Kühe an Militär-Trucks vorbeitreiben. Einige Fotos aus dieser Zeit gibt es in seinem Vortrag „Wörishofen – Lazarettjahre und Ort der Heilung und Genesung für Displaced Persons“ am 11. Mai im Kunst- und Kulturhaus „Zum Gugger“ zu sehen, darunter zahlreiche, noch nie öffentlich gezeigte Fotoraritäten, die diese Zeitspanne kurzweilig veranschaulichen.

„Die Nachkriegszeit in Bad Wörishofen ist im Allgemeinen sehr spannend“, so Film-und Fotoenthusiast Michael Scharpf. In dieser Zeit waren beispielsweise rund 1600 Juden und andere Volksgruppen aus den Konzentrationslagern zur Regeneration in Bad Wörishofen, um wieder zu Kräften zu kommen. Auch das ist in seinen Fotos dokumentiert. Genauso wie eine ukrainische Schulklasse, die 1948 hier ihr Notabitur ablegte. Das erfuhr er von einem Ukrainer, der heute in Amerika lebt und im Alter von sechs oder sieben Jahren in Bad Wörishofen war.

Durch seine Arbeit an den Fotos hat er sich ein ungemeines Wissen über die Geschichte der Stadt angeeignet, das er im Bad Wörishofener Jubiläumsjahr 2017 in spannende Vorträge packt und mit seinem reichen Fotofundus untermalt. Viel Wissen über das historische Wörishofen hat er auch von seinen Großeltern erzählt bekommen, als er noch ein kleiner Bub war. Zu erzählen gab es einiges, denn seine Familie lebt nachgewiesenermaßen seit dem 17. Jahrhundert in Bad Wörishofen. Und schon als Teenager hat er zusammen mit seinem Bruder historische Postkarten aus der Kneippstadt gesammelt. Heute noch sucht er jede Woche nach neuen Schätzen im Internet. Er freut sich sehr, wenn Leute auf ihn zukommen und ihm ihre fotografischen Erinnerungen als Leihgabe zur Verfügung stellen, die er dann digitalisiert und anschließend an die Eigentümer zurückgibt. Die Originale behandelt er dabei natürlich sehr vorsichtig und sorgfältig. „Das entgegengebrachte Vertrauen darf man nicht enttäuschen“, betont er.

„Das besondere an sehr alten Aufnahmen ist oft die gute Wiedergabe selbst kleinster Details! Sie wurden früher auf große Glasplatten aufgenommen. Da kann man hervorragend reinzoomen“, erklärt Scharpf. Auch die 3D-Fotos für die Guckkasten-Ausstellung, die bis  zum 2. Juli 2017 im Kurhaus-Pavillon zu sehen ist, hat er mit Unterstützung von Stefan Hebel vom Süddeutschen Fotomuseum in Bad Wörishofen digitalisiert.

Die Vorträge von Michael Scharf finden an folgenden Terminen jeweils um 20 Uhr statt – der Eintritt ist frei:

4. Mai 2017: „Bad Wörishofen in Farbe“ – Ein Streifzug durch die Kneippstadt der 50er und 60er Jahre. Veranstaltungsort: Kunst- und Kulturhaus „Zum Gugger“, Bachstraße 16

11. Mai 2017: „Wörishofen – Lazarettjahre und Ort der Heilung und Genesung für Displaced Persons.“ Veranstaltungsort: Kunst- und Kulturhaus „Zum Gugger“, Bachstraße 16

1. Juni 2017: „Bad Wörishofen – ein Ort im Wandel“. Power Point-Vortrag mit Überblendtechnik zwischen „Einst und Heute“. Veranstaltungsort: Kurtheater

7. Juni 2017: „Die Gartenstadt – vom Militärflugplatz zum größten Ortsteil“. Veranstaltungsort: Kurtheater

 

Eine Postkarte mit historischen Ansichten von Bad Wörishofen, darunter auch einige Fotos von Michael Scharpf, wird es übrigens bei den Jubiläumsfeierlichkeiten vom 29. Juni bis 2. Juli 2017 geben.

 

Text: Ingrid Bichler, Fotos: Archiv Michael Scharpf, Captain Charles Foertmeyer/Sammlung Scharpf, Veronika Heim

4 comments on “Wussten Sie schon, dass mehrere tausend Fotos die Geschichte Wörishofens dokumentieren?

  • Da kann man Michael Scharfp nur gratulieren und zugleich ihm für seine „Historische Arbeit“ für Bad Wörishofen vielmals danken.
    Denn wer keine Vergangenheit hat, hat auch keine Zukunft!.

  • Mein Großvater – Otto Dein- war Landwirt in Wörishofen- Obere Mühlstr. um 1900 Hundert .
    Ist leider im1. Weltkrieg gefallen-
    Leider habe ich keine alten Bilder von seinem Anwesen ,das später verkauft wurde.
    Gibt es Bilder von der oberen Mühlstr. – ab Landwirt Kustermann-
    Beste Grüße
    Wilhem Zimmermann

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