Das Rasulbad

Eine Anwendung für Paare, die bereit sind für wahrlich intime Momente – für die gelassene Kraft der Zweisamkeit

Allein. Jetzt sind nur noch wir zwei im Spa, haben Dampfbad und Sauna für uns, die Duschen und die Tauchbecken. Für eine Stunde ist es unser PrivateSpa. Die Therapeutin hatte uns ein Tablett mit vier Tonschalen gebracht, gefüllt mit verschieden-farbigen Schlämmen. Grau für Füße, Beine und Ellenbogen. Rotbraun für den Leib, vor allem den Rücken. Goldgelb für Arme und Bauch. Weiß für Gesicht und Décolleté. Wir sollen uns gegenseitig einreiben. Die Anwendung etwa zehn bis fünfzehn Minuten einwirken lassen. Danach im Dampfbad zehn bis fünfzehn Minuten schwitzen. Schließlich abduschen und ruhen. Noch Fragen? Und dann verabschiedete sich die Therapeutin. Leise fiel die Tür ins Schloss.

 

Nackt und allein. Das ist erst mal ein wenig ungewohnt. An einem fremden, eigentlich mehr oder minder öffentlichen Ort die Bademäntel fallen zu lassen. Unwillkürlich schaut man, ob wirklich niemand anderes da ist. Doch langsam fühlt es sich gut an. Ein Moment natürlicher Zweisamkeit, frei von Anzüglichkeiten. Als erwachsenes und selbstbewusstes Paar sind wir nicht ständig auf der Suche nach neuen Kulissen für die eigene Libido. Aber wir freuen uns auf eine Anwendung, die erdet. In einer Atmosphäre von Natürlichkeit und unbeobachteter Vertrautheit.

Schon lange ist sie bekannt – die heilende Kraft der Erden. Auch der griechische Arzt Hippokrates beschreibt die gesundheitsfördernde Wirkung. Grundlage des Rasulbads bilden verschieden stark gekörnte Heilschlämme. Die sind naturbelassen und trocknen auf der Haut. Dabei entziehen sie ihr Schlacken und Schadstoffe, führen ihr natürliche Nährstoffe zu und wirken beim Abwaschen wie ein erdendes Peeling. Das reinigt wahrlich porentief.

Was wie ein Spiel beginnt, bei dem man auch mal laut übereinander lacht, entfaltet bald seine therapeutische Wirkung. Wir reiben uns gegenseitig ein, stehen einander gegenüber wie bunte Fabelwesen. Langsam werden die Schlämme fester, wir kommen uns vor wie Max und Moritz in ihrer Teigkruste. Vorsichtig bröckelnd gehen wir ins Dampfbad. Da verwandelt sich die Lehmschicht auf unserer Haut in einen glänzenden Feuchtigkeitsfilm, die Farben fließen ineinander. Und durch die Dampfschwaden sehen wir aus wie die Anhänger eines Voodoo-Kults. Kneipp-Voodoo.

Mit Aberglaube hat das allerdings nichts zu tun. In vielen Kulturen zelebriert man die heilsame Wirkung einer solch tief gehenden Reinigung. Man spürt die Kraft eines wohltuenden Rituals.

Sehr gründlich duschen wir uns ab, spülen die Pigmente aus jeder Hautfalte. Es tut gut. Die Haut fühlt sich weich an und wird nun auch noch eingeölt. Gegeneinander gelehnt sitzen wir auf den warmen Steinen und schauen hinaus in einen silbrigen Winter-Nachmittag. Ein Vogel sitzt auf einem Ast. Es ist verblüffend, wie wohlig anstrengend das Nichtstun sein kann.

Ist der Vogel ein Specht. Das Klopfen kommt von der Tür. Leise betritt die Therapeutin den Raum. Wie es uns gehe, fragt sie einfühlsam. Wir bedanken uns für eine Stunde besonderer Intensität. Und entschuldigen uns für die Schweinerei, die wir angerichtet haben. Überall farbiger Lehm. Lachen. Kein Problem. Es wird uns empfohlen, noch ein wenig zu ruhen.

Wir genießen den späten Nachmittag auf einer der Relax-Liegen. Die Gedanken schweifen und werden ruhig. Wie der Vogel, der auf dem Ast saß. Eine Anwendung, die erdet und frei macht. Eine Anwendung für Paare, die bereit sind für wahrlich intime Momente – für die gelassene Kraft der Zweisamkeit. Danke, Kneipp.

von Susanne Baade (Fotos) und Dirk Lehmann (Text)

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